Ich rede über das Leben

Die Themen Tod und Sterben begleiten mich schon mein ganzes Leben – im positiven Sinne. Für mich war der Tod immer, schon als Kind, von einem Geheimnis umgeben. Das hat meine Phantasie angeregt. Ich wusste ja von meinen Eltern, das tot sein bedeutet, dass man nichts mehr spürt. Was Trauer0216 bedeutet, war mir als Sechsjährige nicht klar.

Als dann mein Opa starb, haben mich meine Oma und meine Mama in die örtliche Leichenhalle mitgenommen. Dort war es möglich, noch einen Blick auf die Verstorbenen zu werden. Sie waren schön angezogen und hinter Glas aufgebahrt.

Ich habe mir den Opa genau angesehen. Die Fingernägel waren nicht mehr rosig, sondern irgendwie grau-blau. Das Gesicht war irgendwie zusammengesunken und blassgelb.

Meine Mutter hatte mir erzählt, dass die Seele nach dem Tod den Körper verlässt und in den Himmel kommt. Also war mir klar, dass das zwar mein Opa gewesen war, aber jetzt nicht mehr. Diesen Übergang, diese Verwandlung fand ich sehr interessant.

Das ist eigentlich bis heute so geblieben. Aber inzwischen weiß ich, dass Übergänge, Veränderungen, Verluste schmerzhaft und unglaublich schwer sein können.

Gesicht einer weiblichen Steinfigur

Wir Menschen genießen die Beständigkeit und fühlen uns darin sicher. Der Tod zerstört diese für immer, das ist seine Natur.

Und so musste ich erst 60 Jahre alt werden, um mich dem Tod, der Trauer zu nähern. In diesen vergangenen Jahren war mir etwas anderes viel wichtiger: der Journalismus, das Vermitteln von Inhalten im Radio oder Fernsehen, die Pressearbeit für einen großen Wohltätigkeitsverband.

Das Interesse am Sensenmann hatte ich nie verloren: Ich habe ehrenamtlich in der Sterbebegleitung gearbeitet, viel darüber gelesen, aber zunächst keinen Weg gesehen, mehr zu tun.

Plötzlich habe ich im vergangenen Jahr gemerkt, dass die Zeit als Pressesprecherin für mich vorbei war. Aber natürlich wollte ich etwas tun, Geld verdienen.

Ich habe lange keine Ahnung gehabt, was das sein könnte. Bis mich eine sehr tolle Beraterin von der Agentur für Arbeit wieder auf das Thema gebracht hat: Sie hat mir eine Fortbildung „Sterbe- und Trauerbegleitung“ finanziert, die wirklich gut war. Und von da aus war es nur ein kleiner Schritt zu der Erkenntnis: „Ich werde Trauerrednerin!“. Denn das verbindet alles, was ich gut kann und was ich auch gerne mache: Schreiben, Menschen wirklich helfen, Übergänge gestalten.

Und so wurde ich Trauerrednerin:

Ich habe mich für die Ausbildung bei Freie Redner:innen angemeldet und bin Ende März dieses Jahres in ein Tagungshotel gefahren. Es war eine unglaublich intensive, inspirierende und erstaunliche Woche. Hoch über Heidelberg. Es war die ganze Woche über schlechtestes Wetter. Regen, Wind, Gewitter… Während des Unterrichts konnten wir die Wolken sehen, die schwer über den Bergen hingen. Ich hab den Anblick genossen, und mir war es völlig egal, was für ein Wetter draußen war.

Wie soll ich das bitte alles beschreiben?

Das geht schlicht nicht. Aber vielleicht kannst du es dir so vorstellen: Ein großer Seminarraum. Voller Leute aus den unterschiedlichsten Berufen: Zwei Bestatter:innen, eine weitere Journalistin, eine Lehrerin, eine Sprecherin und Atemtherapeutin, eine Versicherungsangestellte usw.

Und wir alle waren auf dem gleichen Weg.

Endlich sagte niemand: „Was? Trauerrednerin willst du werden? Das könnte ich ja nicht.“

Ich kann das aber.

In dieser einen Woche habe ich wirklich richtig viel gelernt. Das lag auch daran, dass Tonia und Daniel, die beiden Dozent:innen, das einfach wunderbar gemacht haben. Ich meine, das musst du erstmal schaffen, einer bunt zusammengewürfelten Horde von Erwachsenen die besten Werkzeuge für solch einen verantwortungsvollen Job zu vermitteln!

Natürlich waren wir alle hoch motiviert. Zum einen, weil der Kurs ja auch Geld kostet, aber auch, weil wirklich alle total scharf waren auf Infos zu den Themen Tod, Trauer, Trauerfeier und Abschiedszeremonien.

Ins Gehirn gelangt und dort auch hängengeblieben ist das meiste, weil Tonia und Daniel selbst so gut reden können.

Wir konnten gar nicht anders, als an ihren Lippen zu hängen. Und die grauen Zellen ihre Arbeit tun zu lassen. Yeah! Input!

Ich hab es so genossen!

Und was mir fast am besten gefallen hat, war das Wohlwollen. Wir alle sind so oft in unseren modernen Leben in Zusammenhängen, in denen wir kämpfen und uns behaupten müssen. Das war in Heidelberg anders. Es gab wohlwollende, freundliche und gleichzeitig sehr kompetente Kritik. Das tat gut.

Reden über das Leben ist nur ein Teil des Jobs

Und darum haben wir noch viel mehr gelernt, als nur die Technik, innerhalb kürzester Zeit eine tolle Rede zu verfassen. Es ging ebenso z. B. um den Umgang mit Trauernden, aber auch Marketing, Steuern, Stimme und Körpersprache oder den Ablauf einer Trauerfeier.

Ein gut gefülltes Köfferchen mit allem, was die Trauerrednerin von heute so braucht. Das habe ich mitgenommen. Dafür danke ich Tonia und Daniel. Ihr wart klasse.

Ein weiteres Köfferchen mit geteilten Erfahrungen hat die ganze Klasse für mich gefüllt – meine frisch ausgebildeten Neu-Kolleg:innen, die ich jetzt schon vermisse: Julia, Martin, Stefanie, Annette, Kerstin, Clemens, Renate, Margarete, Marina, Carmen, Gunnar, Ulli, Christiane und Gabi. Eine bunte Truppe, tolle Menschen. Merci an euch alle!

Ich freue mich darauf, einzigartige Erfahrungen zu machen. Hab gleichzeitig echt Bammel. Aber nur weil ich mir den Ablauf einer Trauerfeier so schlecht merken kann. Vor allem anderen überhaupt nicht.

Den Tod betrachte ich nicht mehr als den bösen Buben, der uns brutal von diesem Leben trennt. Er macht einfach nur keine Kompromisse.

Wo sollen wir denn auch sonst hin, wenn der Körper nicht mehr kann?

Ich sehe den Tod als ein Refugium. Wenn es hier nicht mehr weitergeht, brauchen wir ein neues Ziel. Aber ich möchte auch, dass mein Leben jetzt einen Wert hat. Das möchten wir doch alle, oder? Diesen Wert eines gelebten Lebens möchte ich in meinen Reden strahlen lassen und den trauernden Menschen damit versöhnliche Erinnerungen schenken. Darum habe ich diese Ausbildung gemacht.

Ich bin eine Lebensrednerin.

Und hier findet man mich auch: „Wer Du Warst“ Agentur für Trauerredner:innen 

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